Detlef Jablonski wurde 1955 in Jerichow im Haftkrankenhaus eines Frauengefängnisses geboren, kam von dort in ein Kinderheim und später zu einer Pflegefamilie. 1970 und 1974 versuchte er vergeblich, zu seiner leiblichen Mutter in den Westen zu fliehen. Zehn Monate verbüßte er dafür im Gefängnis, unter anderem im Arbeitslager Schwarze Pumpe (im heutigen Land Brandenburg). Danach wurde er jahrelang von der Staatssicherheit observiert und von der Volkspolizei kontrolliert. Ein Abiturlehrgang wurde 1979 durch die Einberufung zur NVA abgebrochen. Detlef Jablonski stellte zwei Ausreiseanträge und siedelte 1987 nach Westberlin über. Der Autor hat einen erwachsenen Sohn und lebt heute als Liedermacher und Autor in Berlin. Auch hält er Zeitzeugenvorträge in Schulen und Gedenkstätten.
www.einervontausend.de

Bibliographie

Detlef Jablonski „Einer von Tausend: Eine Berliner Geschichte“ (Klak Verlag Berlin, 2021)

Detlef Jablonski liest aus Einer von Tausend, erschienen im Klak Verlag.

Textprobe

Über den „Alltag“ im Arbeitslager Schwarze Pumpe (Brandenburg):

Warze packte mich am Oberarm, hielt in der anderen Hand den Knüppel und marschierte mit mir zur Mauer. „Hier stehen bleiben bis zum Feierabend! Käppi ab!“, befahl er.

Die Sonne schien. Noch wehte ein seichtes Lüftchen, doch das sollte bald vorbei sein.

Warze wies den Wachposten auf dem Turm an, darauf aufzupassen, dass ich mich nicht einen Zentimeter vom Fleck bewege. Da stand ich also wieder. Hatte meinen privaten Wächter und bis Feierabend Zeit, die Sonne zu genießen. Beim letzten Mal konnte ich noch auf einem Stuhl sitzen. Die Sonne wurde langsam zur Qual. Durst kam dazu und der Rücken schmerzte. Die Beine wurden schwer und die Füße taten weh. Mir kam die Weisung von Warze in den Sinn. Und so schob ich den linken Fuß ganz langsam zwei, drei Zentimeter nach vorn. Nach einer Weile, ich zählte so bis zwanzig, zog ich den rechten Fuß nach und zählte dann wieder bis zwanzig. Dann schob ich den linken Fuß erneut zwei, drei Zentimeter vor. Zählte bis zwanzig und zog den anderen nach. Während der ganzen übrigen Zeit stand ich stramm wie ein Soldat ohne Käppi, zwischen der Lagerbaracke und der Mauer. Pause fiel für mich flach, Stulle essen und Muckefuck trinken somit auch und natürlich das Rauchen. Aber ich hatte so meinen Spaß.

Kurz vor Feierabend kam dann Warze an. Der traute seinen Augen kaum. Zuerst brüllte er den Posten auf dem Wachturm an, ob der da oben eingepennt sei. Er hätte doch gesagt, der Straffge da solle sich nicht bewegen. Und dabei zeigte er auf mich. Ich stand bestimmt dreißig Meter weit weg von meiner Startlinie. Der Posten sagte, dass das gar nicht sein kann, er habe mich die ganze Zeit beobachtet und ich hätte mich keinen Meter bewegt. Jetzt brüllte Warze mich an, dass ich zu ihm kommen sollte. Ich erwiderte, dass ich bis zum Feierabend da stehen und mich nicht bewegen soll. Warze wurde fuchsteufelswild. Kam angerannt und hob den Migränestift, schlug zu, traf aber nicht richtig.